Reitet die Welle

TIL VON DOMBOIS

Reitet die Welle

...und feiert sie, aber wundert euch nicht, wenn sie irgendwann bricht und euch mit Macht in den Sand drückt. Jeder Stil kommt einmal aus der Mode

Was treibt die jüngeren christlichen Songschreiber:innen heute an?

Dieser Artikelt erschien in geänderter Form in der Evangelischen Zeitung.

Es gibt mehrere Aspekte, die die Arbeit junger Künstler*innen von den alten Barden und Wegbereitern des neuen geistlichen Liedes unterscheidet.

Zuallererst ist das naheliegendste, dass Hörgewohnheiten von heute völlig anders sind, weil junge Leute die Musik der letzten Jahrzehnte über ihre Eltern, YouTube und vielleicht noch das Autoradio kennengelernt haben.

Das bedeutet auch, dass ein auf der Gitarre fragwürdig dargebotener Kirchentagsschlager von 1980 bei jungen Autor*innen nur entsetzte Fragezeichen in die Gesichter zaubert. Die jahrzehntelange Genese und Entwicklung neuer geistlicher „Popmusik“ als kirchliche Parallelwelt zu einer weltlichen Popmusik ist ihnen fremd und das ist auch ihr gutes Recht. Berührungspunkte bekommen sie natürlich durch “moderne” evangelische Gottesdienste und vor allem durch ihren Konfirmandenunterricht, in dem seit vielen Jahrzehnten “Gott gab uns Atem” und “Laudato Si” gesungen wird. Das bedeutet allerdings keinesfalls, dass sie diese Musik gut finden.

Die eigene Haltung

Wer bin ich, was will ich als Songschreiber:in?

Wer als Künstlerin oder Songschreiber:in früher Musik gemacht hat, hat immer auch ein Image kommuniziert. Das ist heute noch genauso, aber die Künstler-Images haben sich verändert. Ob es den sozialen Medien und einem Insta-Perfektionswahn geschuldet ist oder auch der starken Vorreiterrolle von Worship als heutzutage einzige wirklich flächendeckend praktizierter Popmusik in Kirchen – das eigene Schreiben und Musizieren dockt natürlich an Vorbilder an. Schon die Beatles haben Elvis in ihrer Frühphase genau studiert und sich gefragt, was sie übernehmen können und was sie anders machen wollen.

Viele sehr fromme junge Autor*innen und Autoren schielen deshalb auf moderne Bemühungen der Worshipmusik wie zB. Young & Free von Hillsong United, ich kenne aber auch viele weltliche Autor*innen und Produzent*innen. Letztere scheuen Worship-Styles mit ihrem evangelikalen Touch und suchen nach Wegen, ihren Glauben in andere musikalische Formate zu bringen.

Die musikalischen Stile der Popmusik sind heutzutage so vielfältig, dass es eigentlich fast egal ist, in welchem Stil die Musik gemacht wird. Entscheidend ist für die jungen Künstler*innen und Künstler eine Deckung mit ihrem Selbstverständnis und der Möglichkeit einer öffentlichen Kommunikation desselben.

Moderne Texte

in deutscher Sprache

Weil viele der jungen Künstler*innen live auftreten, sehen Sie sich normalerweise mit einem Publikum konfrontiert. Dieses Publikum ist in den letzten Jahrzehnten durch eine kollektive Silbermondisierung und Tim-Bendzkoisierung gegangen. Die deutsche Textsprache von AnnenMayKantereit, Seeed und unzähligen anderen deutschsprachigen Bands fordert natürlich auch christliche Songschreiber:innen heraus. Was heute ein absolutes No Go ist, sind „cheesy“ Texte, am besten übersetzt mit peinlicher zu konkret werdender Faktensprache.

Es verbindet vielleicht alle guten Texterinnen und Texter, dass der Wunsch nach vielseitig interpretierbarer und poetischer Sprache in Liedern ein Leben lang großgeschrieben wird. Das gilt auch für christliche Musik. Für Holzhammer-Aussagen oder absurd konkrete Sprache, die man wiederholt in kirchlichen Zusammenhängen hört (wie „Danke für meine Arbeitsstelle“) werden heute mit langem Denk-Aufwand andere Formulierungen gesucht. Insgesamt ist in modernen Songs heute viel bildliche Sprache voller Metaphern und weiterer Stilmittel zu finden.

Interessant ist noch ein Blick auf die Frömmigkeit der jungen Musiker:innen. Glaubenskritische und stark Zweifelnde schreiben meiner Meinung nach oft in die Gesellschaft Brücken schlagende Songs, weil sie sich eher in ein kirchenfernes Publikum hineinversetzen können. Sehr fromme Künstler:innen haben weniger Scheu vor Worship-Phrasen und Gott ständig „erhebenden“ Adjektiven, die manchmal ganze Strophen füllen können. Auch die Liebe zu Jesus in einem manchmal fast ungesund anmutendem Ausmaß wird eher von letzteren thematisiert.

Handwerk

wird groß geschrieben

Die junge Generation von Musiker:innen und Songschreiber:innen ist an vielen Stellen musikalisch richtig gut. Sie arbeiten hart an ihren Skills und sehen das auch als Selbstverständlichkeit. Während früher vielleicht ein „Hauptsache, wir machen zusammen Musik“ Im Vordergrund stand, wird heute mit viel Akribie und großem Ernst an der eigenen Musik und dem Image gefeilt. Im Bereich der Professionalisierung wird ganz klar eine Annäherung an die weltliche Popmusik vollzogen. Wir erleben das auch mit unserem neuen Online-Fortbildungstool „Soul Play“ in der Hannoverschen Landeskirche.

Der für unsere gesamte Kirche vielversprechende Denkansatz, gern im Team zu spielen, sein Instrument irgendwann gut zu beherrschen und beim Musikmachen mit anderen auf höherem Spielniveau Spaß zu haben, ist nicht mehr nur eine Sache für abgehobene Profis. Im Gegenteil machen die Profis eine deutliche Ansage an jeden: mach dich auf den Weg, du kannst es schaffen!

Fazit

Die Zukunft wird bunt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich eine Menge getan hat bei den Autor*innen und ausführenden Künstler*innen.

Klar ist aber auch: Nur, wenn wir es in den Gemeinden schaffen, diesen Leuten und ihren Liedern die Türen zu öffnen und ihre Musik bei uns vor Ort passieren zu lassen, werden wir eine großartige Pop-Kirchenmusik der Zukunft haben. Dass da auch manche Verirrung passieren wird, ist keinesfalls ausgeschlossen.

Neue (deutsche) Wellen werden kommen und wir werden sie reiten und wieder mit ihnen fallen. Es wird uns schmerzen und wir werden denken: „Ach, so einen tiefen Fall will ich nie wieder erleben.“

 

Doch wir sind mutig und hängen deshalb nicht wie früher teilweise 20 Jahre der aktuellen Musikkultur hinterher. Wir gehen mit jungen Leuten und aktuellen musikalischen Trends voran.

Warum? Weil wir Kirche sind. Und weil wir es können.

Musik für eine neue Generation

Popkantor Til von Dombois geht mit seinem Produktions-Team neue Wege in der Popmusik, die stilistische Brücken bauen zwischen Kirche und Gesellschaft.

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